Wenn Leiden durch deine Tür kommt

Ich bekam den Anruf, den kein Vater oder keine Mutter je bekommen möchten. 

Ich war nicht zu Hause, ich war ca. 6 Stunden Fahrtstrecke entfernt. Als ich die Emotion in Luellas Stimme hörte, wusste ich, dass etwas Ernstes los ist. Sie erzählte mir, dass unsere Tochter in einen Unfall verwickelt wurde und, dass ich so schnell wie möglich nach Hause kommen sollte. Die Fahrt zum Krankenhaus dauerte gefühlt ewig. 

Geschehen war folgendes: Nicole war nach der Arbeit die Straße entlang gelaufen. Ein betrunkener Fahrer, der keinen Führerschein hatte, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, geriet auf den Gehweg und erfasste meine Tochter und rammte sie gegen eine Mauer. Sie hatte massive Verletzungen. Sie hatte innere Blutungen. Wäre der Unfall in den Vororten geschehen, hätte sie es nicht ins Krankenhaus geschafft. Sie hatte allein am Becken 12 Frakturen.

Als ich dort ins Krankenzimmer kam und ich sie an all die Maschinen angeschlossen sah und nicht wusste, wie ihr Zustand war, tat ich, was jeder Vater, der seine Tochter liebt, getan hätte. Ich brach gewissermaßen innerlich zusammen. Ich versuchte auf ihrem Bett so nahe wie möglich an sie zu kommen, ich versuchte, mit meiner Wange an ihre Wange zu kommen. Ich sagte ihr, dass ich sie liebe und, dass ich für sie da bin, aber ich war nicht sicher, wie viel sie von dem mitbekam, was ich sagte, abgesehen davon, dass ich sah, wie Tränen aus ihren Augen liefen.

Ich dachte oft über diese ganze Szene nach. 

Wer würde sich jemals für sein Kind wünschen, dass es durch solch eine Situation geht? Wenn ich eines meiner Kinder für diese Situation bestimmen hätte müssen, dann hätte ich nicht Nicole gewählt. Sie schien das verletzlichste aller unserer Kinder zu sein. Das war der Anfang von 4 Jahren körperlicher, emotionaler und geistlicher schmerzlicher Belastung. Leiden, das nicht nur den Körper meiner Tochter betraf, sondern auch das Leiden, das daher kommt, das eigene Kind leiden zu sehen.

Beim Leiden muss man Folgendes verstehen. Wenn du durch einen Moment oder eine Zeit des Leidens gehst, dann leidest du nicht nur an dem, woran du leidest. Du leidest auch daran, wie du leidest. 

Denn Leiden entblößt dich. 
Es entblößt, wie du über das Leben denkst. 
Es entblößt, was du über Gott denkst. 
Es entblößt auch, was du denkst im Leben verdient zu haben. 
Es entblößt, wie du dir das gute Leben vorstellst. 
Es entblößt deine Gedanken über Bedeutung, Sinn und Hoffnung und deinem inneren Wohlbefinden. 

Du bringst in dein Leiden eine ganze Reihe von Dingen mit hinein, die bestimmen, wie du leiden wirst. Unterschiedliche Menschen leiden unterschiedlich. Manche der dunkelsten Momente des Leidens bestehen nicht einfach in dem, woran du leidest. Diese Momente der Schwierigkeit sind in sich selbst schon schrecklich, aber das, was du in dein Leiden mit hineinbringst, macht es noch finsterer und schwieriger und hoffnungsloser und bringt dich dazu, dich einsamer und entfremdeter zu fühlen als jemals zuvor.

Weil Gott wusste, dass wir zwischen dem „Jetzt“ und dem „Noch nicht“ in einer Welt leben würden, die selbst im Leiden liegt (wie die Bibel sagt: Die Welt ächzt und wartet auf Erlösung), wusste Gott, dass wir im Leiden Hilfe brauchen würden. Denn Gottes Kind zu sein, bedeutet nicht, dass man vom Leiden ausgeschlossen wäre. Gottes Kind zu sein, bedeutet nicht, dass du nicht leidest. Leid wird irgendwie auch durch deine Tür kommen.

Man könnte argumentieren, dass die Bibel eine große Abhandlung über das Leiden ist. Sie stellt vom Beginn bis zum Ende eine Welt des Leidens dar.

Blut und Schweiß und Dreck des Leidens beflecken jede Seite der Bibel. Aber was die Bibel tut, ist, dass sie uns einen ganz anderen Weg aufzeigt, über das Leiden nachzudenken, darüber warum wir leiden, darüber wer Gott im Leiden ist, darüber was Gott uns für das Leiden anbietet, darüber, was Leiden sein soll und wozu es dienen soll.

Was ich sagen will, ist: Die Bibel gibt uns diesen radikalen Gedanken, dass diese Welt des Leidens, in der wir leben, der sich keiner von uns entziehen kann, nicht Gottes Plan im Weg steht, sondern Teil von Gottes Plan ist. Wenn du das verstehst, leidest du auf eine ganz andere Art.

Wenn du im Moment nicht leidest, so stehst du doch Menschen nahe, die gerade leiden. Und wenn du jetzt gerade nicht leidest, dann wirst du doch eines Tages leiden. Und ich mag dich fragen: Wie gut bist du auf den Moment vorbereitet, wenn Leid durch deine Tür kommt?