Erinnere dich an den ganzen Weg
Und du sollst an den ganzen Weg gedenken,
durch den der HERR, dein Gott, dich geführt hat diese 40 Jahre lang in der Wüste, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen,
damit offenbar würde, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht.
5. Mose 8,2
So sollten auch sich die Kinder Israel an den ganzen Weg erinnern, den sie ihr Gott geleitet hatte, um ihre Herzen im Blick auf die Vergangenheit zum Dank zu stimmen und für die Zukunft ihr Vertrauen auf Gott zu stärken. So sollte es immer sein. Stets sollten wir vertrauen, was noch kommen mag. Das sind die beiden Dinge, die zur Verherrlichung Gottes und zu unserem Frieden dienen, unserer Freude in ihm dienen. Wenn das Auge auf den Eben-Ezers ruht, die entlang unseres Weges liegen, so kann es nicht ausbleiben, dass das Herz Halleluja dem darbringt, der bis hierher geholfen hat und sicher bis zum Ende hin weiterhelfen wird. Er hat geholfen, er hilft und er wird helfen. Das ist eine gesegnete Kette, deren Glieder alle den Namen göttliche Hilfe tragen! …
Aber wir sollten mit dankerfüllten Herzen nicht nur bei den Barmherzigkeiten und bei der gnädigen Durchhilfe unseres Vaters verweilen, sondern auch bei den Demütigungen und Prüfungen, die seine weise, treue und heilige Liebe über uns kommen ließ. Alle diese Dinge sind voll von Segnungen für uns. Es sind nicht, wie man manchmal sagt verborgene Segnungen, sondern offenbare und unverkennbare Barmherzigkeiten, für die wir Gott in Ewigkeit loben werden.
Du sollst dich an den ganzen Weg erinnern, an alle Ereignisse der Reise, an jede Szene des Wüstenlebens, an alle Führungen Gottes von Anfang bis Ende, die den einen Zweck hatten, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen, um zu erkennen, was in deinem Herzen ist. Der letztgenannte Grund ist besonders wichtig. Wenn wir beginnen, dem Herrn nachzufolgen, kennen wir nur wenig von den Tiefen des Bösen und der Torheit unserer Herzen. Aber je mehr Fortschritte wir machen, desto mehr erfahren wir, was alles in uns und um uns her ist. Wir lernen die Tiefen des Verderbens in uns, sowie die Leere und Wertlosigkeit alles dessen, was in der Welt ist, kennen und wir erfahren, wie nötig es ist, in ständiger Abhängigkeit vom Herrn zu gehen.
Alles das ist sehr gut. Er macht uns demütig und misstrauisch gegen uns selbst, befreit uns von Hochmut und Eigendünkel und führt uns dahin, in kindlicher Einfalt an dem zu hangen, der uns vor Straucheln bewahren kann. Je mehr wir in der Selbsterkenntnis wachsen, umso mehr verstehen wir von der Gnade und lernen die Liebe Gottes näher kennen; wir erkennen dann seine wunderbare Geduld mit unseren Schwachheiten und Fehlern, seine Barmherzigkeit, in der er sich unserer angenommen hat und die Fürsorge für alle unsere Bedürfnisse; wir bekommen ein tieferes Verständnis für die Übungen, durch die er uns führen musste zu unserem tiefen und bleibenden Nutzen.
Die praktischen Auswirkungen hiervon sind unschätzbar und verleihen unserem Charakter Festigkeit und Milde. Sie heilen uns von unseren törichten Meinungen, machen uns geduldig und rücksichtsvoll gegen andere, mildern unser Urteil und lassen uns die Handlungen anderer im bestmöglichen Licht sehen. In zweideutigen Fällen werden wir ihnen stets die besten Beweggründe zuschreiben. Das sind einige der Früchte der Erfahrungen in der Wüste, denen wir alle ernstlich nachstreben sollten.
So erkenne nun in deinem Herzen, dass der HERR, dein Gott, dich erzieht, wie ein Mann seinen Sohn erzieht.
5. Mose 8,5
Wir lieben die Züchtigung nicht, denn sie scheint uns „nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein“ (vgl. Hebräer 12,11). Es ist einem Sohn schon recht, wenn er aus seines Vaters Hand Nahrung, Kleidung und alles nehmen kann, was die Liebe des Vaterherzens ihm gewährt; aber er liebt es nicht, wenn der Vater zur Rute greift. Dennoch kann diese gefürchtete Rute gerade das Beste für den Sohn sein. Sie kann für ihn etwas bewirken, was alle äußerlichen Wohltaten nicht können, indem sie ihn von einer schlechten Gewohnheit, einer bösen Neigung oder von schändlichen Einflüssen befreit und so für ihn ein Segen wird, für den er Zeit seines Lebens dankbar sein kann. Es ist wichtig, dass der Sohn die Liebe des Vaters ebenso deutlich in den Züchtigungen wie in den leiblichen Wohltaten sieht, die er täglich erfährt.
Aber bei uns ist es meistens nicht so. Wir freuen uns zwar über die Segnungen des Vaters und sind dankbar, wenn er unseren Bedürfnissen Tag für Tag entgegenkommt und uns in Zeiten der Bedrängnis und Prüfung hilft. Wir erinnern uns gerne an die widerfahrene Gnade und Barmherzigkeit. Ohne Zweifel ist das alles recht und gut und auch gesegnet für das Herz. Aber es besteht die große Gefahr, dass wir bei diesen Wohltaten und Segnungen stehen bleiben und mit dem Psalmisten sagen: „Ich zwar sagte in meinem Wohlergehen: Ich werde niemals wanken. HERR! In deiner Gunst hattest du meinen Berg festgestellt“ (Psalm 30,7.8). Es ist sicher richtig, wenn wir sagen: in deiner Gunst, aber wir neigen dazu bei unserem Berg und bei unserem Wohlergehen stehen zu bleiben und diese Dinge zwischen unsere Herzen und den Herrn kommen zu lassen, so dass sie ein Fallstrick für uns werden. Dann wird die Züchtigung nicht ausbleiben.
Unser Vater wacht in treuer Fürsorge und Liebe über uns. Er sieht die Gefahr und sendet Prüfungen. Wir müssen oft durch Prüfungen gehen, die unseren schwachen und ängstlichen Herzen überwältigend erscheinen. Der Feind flüstert uns dann zu: Ist das Liebe? Der Glaube antwortet: Ja! Alles ist Liebe und Weisheit, – auch der Tod geliebter Angehöriger, der Verlust des Vermögens, lange und schmerzliche Krankheit und ähnliche Dinge.
Auch Hiob musste diese Erfahrung machen. Hier kannst du darüber lesen: Hiobs Erkenntnis
Dies ist ein Ausschnitt aus der Auslegung „Die 5 Bücher Mose“ von C.H. Mackintosh zu 5. Mose 8, erschienen im CSV Verlag.