Das gesegnete Ende Hiobs

…oder die Früchte des Leidens

Ein Gastbeitrag

Nick Vujicic wurde 1982 in Australien ohne Arme und Beine geboren. Lediglich ein kleiner Fuß mit zwei Zehen ist am Ansatz seines linken Oberschenkels vorhanden. Für seine Eltern war dies ein großer Schock, und obwohl seine Mutter während der Schwangerschaft alles richtig gemacht hatte, gab sie sich die Schuld. Sie taten ihr Bestes, um ihrem Sohn ein weitgehend selbstständiges Leben zu ermöglichen. Trotz seiner Behinderung hatte Nick mit Mobbing in der Schule, Depressionen und der Angst zu kämpfen, dass seine Eltern ihn eines Tages nicht mehr unterstützen könnten. Er selbst berichtete, dass er lange Zeit keinen Sinn und keine Hoffnung in seinem Leben sah. Diese Perspektive änderte sich jedoch, als er seine Behinderung nicht länger als Strafe, sondern als Herausforderung und göttlichen Auftrag erkannte. Heute lebt er in den USA, ist verheiratet, hat 4 Kinder und ist ein internationaler Redner, Vorstandsmitglied in einer christlichen Organisation und besitzt eine eigene Bank, mit der er Abtreibungsgegner unterstützt. Man könnte Nick als einen modernen Hiob bezeichnen, der viel Leid erlebt hat und dessen Leid für andere und für sich selbst wie eine schwere Strafe Gottes aussieht bzw. aussah. Aber wie bei Hiob bekam sein Leben eine neue Wendung, als er sein Leid nicht mehr als Strafe, sondern als Auftrag bzw. als etwas von Gott Gegebenes annahm.

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Das Buch Hiob enthält keine Zeitangaben darüber, wann es geschrieben wurde und wann Hiob gelebt hat. Und vielleicht will das Buch, das es auch so verstanden wird: als eine zeitlose Wahrheit, die in jede Zeit hineinpasst.

Hiob selbst wird in dem Buch als ein gerechter, tadelloser und gottesfürchtiger Mann beschrieben. Gott erlaubt dem Satan Hiob alles wegzunehmen und ihn krank zu machen. Als Hiobs Freunde kommen um ihn zu trösten, schweigen sie zunächst, weil sein Schmerz sehr groß war. Aber schließlich kommen sie ins Gespräch und sie unterhalten sich darüber, warum Hiob leiden muss. Und darin enthalten ist die Frage, warum ein Unschuldiger leiden muss. In der Theologie der Freunde konnte sowas gar nicht sein. In ihren Augen leidet Hiob, weil er oder einer aus seiner Familie ganz schlimm gesündigt haben muss. In ihren Ausführungen greifen sie auf die gängige Moralvorstellung, auf die Tradition und Erfahrung der Vorfahren und auf ihre gewonnene Erkenntnis über die Schicksale der Menschen zurück. Hiob dagegen beharrt auf seine Unschuld und fühlt sich zu Unrecht von Gott zur Zielscheibe gemacht.

Schließlich kommt der vierte Freund zu Wort, der als ein Bote Gottes oder als ein Wegbereiter auftritt und zornig auf die Freunde und auf Hiob ist. Er erklärt, dass Gott das Leid oft als Warnung oder als Züchtigung gebraucht um Menschen zu läutern und sie näher zu sich zu ziehen. Dadurch bringt er Licht in das Dunkel und bereitet Hiob auf die Begegnung mit Gott vor. Als Gott Hiob dann viele Fragen über die unbelebte und die belebte Natur stellt, kann er nicht eine beantworten und erkennt, dass er Gott zu Unrecht vorgeworfen hat, dass er ihn ungerecht behandelt. Er tut Buße und bekennt sich schuldig. Dann befiehlt Gott Hiobs Freunden Sühneopfer darzubringen, weil sie ihn in einem falschen Licht dargestellt haben und nicht die Wahrheit über ihn gesagt haben. Die Freunde machen das und Hiob betet für sie. Und der Herr erhörte Hiob. Dann erzählt uns sein Buch, wie die Wendung bei Hiob kam.

Nicht nachdem Hiob Buße tat, nicht nachdem seine Freunde Opfer brachten, sondern erst als Hiob für seine Freunde bat, wendete der Herr das Geschick von Hiob. In der Bibel steht nichts ohne Grund da und auch die Reihenfolge ist nicht ohne Grund so gewählt. Gewisse Dinge mussten passieren, bis die Wendung eintreten konnte. Was könnte es also bedeuten, dass die Wendung Hiobs erst dann eintraf, als er für seine Freunde bat?

Und der HERR wendete Hiobs Geschick, als er für seine Freunde bat; und der HERR erstattete Hiob alles doppelt wieder, was er gehabt hatte.

» Hiob 42,10

Könnte es sein, dass die Lektion die Hiob lernen sollte, nicht nur für ihn bestimmt war, sondern dass da auch viele Andere mit hineingenommen werden sollten? Mir scheint es, dass die Prüfung Hiobs gleichzeitig auch eine Prüfung für seine Freunde war. Denn die Prüfung offenbarte was in den Herzen und Gedanken von Hiob und seinen Freunden war. Es zeigte sich, dass seine Freunde eine falsche Sicht von Gott hatten und dass sie über Gott nicht so dachten, wie er wirklich ist. Ihre falsche Theologie musste korrigiert werden.
Hiob litt darunter, dass er von ihnen zu Unrecht beschuldigt wurde, aber vielleicht litt er auch unter anderem deshalb, damit seine Freunde am Ende eine wiederhergestellte Beziehung zu Gott bekamen.
Als Hiob ihnen vergeben konnte und für sie beten konnte, da brachte er seine Freunde durch sein Gebet in eine neue bzw. erneuerte Beziehung zu Gott. Und diesen Dienst will das Buch Hiob heute noch für uns tun. Wenn wir es lesen, dann sollen unsere falschen Gedanken über Gott und über das Leid korrigiert werden. Ob wir selbst leiden oder jemand in unserem Umfeld leidet, wenn wir es von Gott her annehmen, werden andere Menschen gesegnet und näher zu Gott gebracht.
„Und der Herr erstattete Hiob alles doppelt wieder, was er gehabt hatte.“ Ich denke das Hiob hier allen voran doppelt so gute Freunde bekommen hat. Sie hatten ihn bereits aufgesucht und wollte ihn eigentlich wieder auf die Beine helfen, auch wenn sie es mit ihren Vorwürfen schlimmer gemacht haben. Aber sie waren da, wo es Andere nicht waren. Und sie haben mit Hiob zusammen diese Gotteserfahrung gemacht. Jetzt, wo sie das noch weiter miteinander verbunden hat, war es gut möglich, dass sie richtig feste Freunde wurden. Doppelt so gute Freunde eben.

Hiob ist zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich schon ein paar Monate lang krank. Dennoch ist keiner dieser Leute in der Zeit gekommen um ihn zu trösten, vielmehr war es so, dass er von allen gemieden wurde. Da in dem Vers davor explizit steht, dass Gott das Geschick Hiobs wendete, können wir annehmen, dass es von Gott her so geführt wurde, dass kein anderer zu Hiob kam um ihn zu trösten, bis Hiob seine Lektion gelernt hatte. Gott kennt und bestimmt den Zeitpunkt, wann das Leid zu Ende ist. Wäre Hiob vorher schon getröstet worden, dann hätten wir dieses Buch in der Form wohl nicht. Aber so war es von Gott bestimmt. Gott schenkte Hiob am Ende des langen Leidens das Allerwichtigste: eine Begegnung mit ihm. Nicht um das Zweitwichtigste zu blockieren, sondern um es danach um so mehr zu fördern, nämlich die Beziehung zu anderen Menschen.

Und alle seine Brüder und alle seine Schwestern und alle seine früheren Bekannten kamen zu Hiob und aßen mit ihm in seinem Haus; und sie bezeugten ihm Teilnahme und trösteten ihn wegen all des Unglücks, das der HERR über ihn gebracht hatte, und schenkten ihm ein jeder eine Kesita und einen goldenen Ring.

» Hiob 42,11

Alle kommen sie und alle trösten sie ihn und alle schenken ihm was. Das, wonach er sich solange gesehnt hat, trifft nun auch auf menschlicher Ebene ein. Als Richard Wurmbrandt nach vielen Jahren aus dem Gefängnis kam, nachdem er dort für seinen Glauben an Jesus gelitten hatte, wurde er an vielen Orten eingeladen und manchmal segnete er seine Zuhörer mit den Worten: „Hände die Ketten getragen haben, sind Hände, die gut segnen können.“ Durch seine Predigten und seine Lebensberichte über die verfolgte Gemeinde in der ehemaligen UdSSR entstanden Hilfswerke, die sich für verfolgte Christen bis heute einsetzen. Auch er bekam viel Geld anvertraut, das er für diese Sache einsetzte. Hiob bekommt hier etwas von dem zurück, was er zuvor ausgestreut hatte. Er hatte sich für die Witwen und Waisen, für die Benachteiligten und für die, die sich keinen Anwalt leisten konnten, eingesetzt und hat ihnen geholfen. Nun bekommt er selbst von vielen Menschen Hilfe und Geld, das er sicherlich weiter für Notleidende verwendet hatte.

Und der HERR segnete das spätere Leben Hiobs mehr als sein früheres; er bekam 14.000 Schafe, 6.000 Kamele, 1.000 Joch Rinder und 1.000 Eselinnen. Er bekam auch sieben Söhne und drei Töchter. Und er gab der ersten den Namen Jemima, der zweiten den Namen Kezia und der dritten den Namen Keren-Happuch. Und es wurden im ganzen Land keine so schönen Frauen gefunden wie Hiobs Töchter; und ihr Vater gab ihnen ein Erbteil unter ihren Brüdern.

» Hiob 42,12-15

Wenn man diese Zahlen mit dem Anfang des Buches vergleicht, stellt man schnell fest, dass Hiob doppelt so viele Tiere bekam, wie er am Anfang besessen hatte. Aber er bekommt nicht doppelt so viele Kinder wie zuvor. Er hatte vorher 10 Kinder und er hat jetzt 10 Kinder. Während seine Herden wirklich weg bzw. tot waren, waren seine Kinder aber nicht verloren. Sehr wahrscheinlich waren sie im Himmel. Hiob hatte ihnen den Glauben vorgelebt und mit bzw. für jeden gebetet. Er ließ sie jedes Mal holen, wenn sie Geburtstag gefeiert hatten und er heiligte sie, falls sie sich versündigt hätten. Nun hatte er also wahrscheinlich 10 Kinder im Himmel und 10 Kinder auf der Erde. 

Als das Kind von König David starb, da wusste er, dass sein Kind nicht zu ihm zurückkehren würde, aber dass er seinem Kind folgen und es wiedersehen wird. Hiob könnte die gleiche Hoffnung gehabt haben. Es ist überhaupt erstaunlich, wieviel Hiob bereits über das Jenseits wusste bzw. vermutete. Er wusste, das er einen Erlöser hat, dass da jemand ihm Himmel sein Zeuge, sein Schiedsmann war, der seine Sache vertritt. Hiob 16, 19: „Aber auch jetzt noch, siehe, ist mein Zeuge im Himmel und mein Bürge in der Höhe!“ Und in Kapitel 19, 25 sagt Hiob:

Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und zuletzt wird er sich über den Staub erheben. Und nachdem diese meine Hülle zerbrochen ist, dann werde ich, von meinem Fleisch los, Gott schauen; ja, ich selbst werde ihn schauen, und meine Augen werden ihn sehen, ohne [ihm] fremd zu sein. Danach sehnt sich mein Herz in mir!

» Hiob 19,25

Aber noch einmal zurück zu Hiobs Kindern bzw. zu seinen Töchtern. Hiob folgt nach seiner Genesung nicht dem patriarchischen Standard, wo nur die Söhne als Nachfolger und Stammeshalter erben und wo deren Namen und Bedeutung hervorgehoben wird, sondern hier werden seine Töchter hervorgehoben. Wir erfahren hier also nicht wie seine Söhne hießen, sondern nur wie er seine Töchter nannte und dass sie die Schönheitswettbewerbe des Landes gewannen.
Und auch hier, wie auch an allen anderen Stellen ist es nicht grundlos, dass es erwähnt wird. Es hat eine Bedeutung. Der Name der ersten Tochter Jemima bedeutet Taube. Vielleicht eine Anspielung an die Sintflut, die Hiob hier im persönlichen Ausmaß getroffen hatte, die alles fortgespült hatte, was er besessen hatte. Reichtum, Wohlstand, Familie, Ansehen in der Gesellschaft, Freunde, Gesundheit usw. und jetzt ist diese Zeit vorbei. Die Taube, die damals eine neue Zeit ankündigte, die brach hier auch für Hiob an.
Der Name der zweiten Tochter Kezia meint Zimtblüte oder Zimtduft. Ein teures Handelsgut, das für die Herstellung von Parfum und als Zutat für Opfer verwendet wurde. Also etwas womit man einen Wohlgeruch herstellte. Als Hiob leiden musste, da stank er für seine Umgebung so sehr, dass selbst seine Frau sich vor ihm ekelte: „Mein Atem ist meiner Frau zuwider und mein Gestank den Söhnen meiner Mutter.“ (Hiob 19, 17) Seine Krankheit und sein Leiden trieb seine engsten Vertrauten weg von ihm. Doch nun umgab ihn ein Wohlgeruch, der für seine Liebsten und Freunde wieder sehr anziehend war und der dazu führte, dass er von ihnen aufgesucht wurde. Und dass sie nun in seiner Nähe sein wollten.
Der Name seiner dritten Tochter Keren-Happuch bedeutet Schmuckhorn. Horn wird in der Bibel häufig als Ausdruck von Macht, Einfluss, Stärke gebraucht. Nun war er, Hiob, geschmückt mit Macht und Einfluss und Stärke. Nun beeinflusste er seine Umgebung, als ein Mensch, welcher viel gelitten hatte und der nun einen großen Segen weitergeben konnte. Die geistliche Wahrheit dahinter entschlüsselt uns 1. Petrus 3, 3-5.
Der verborgene Mensch des Herzens, der seine Hoffnung auf Gott setzt, der ist vor Gott sehr kostbar. Liebe, Wohlgeruch und wahre, unvergängliche Schönheit entsteht aus vielem Herzeleid und Gottvertrauen.

Hiob war ein Mann, der andern reichlich geben konnte von seinem Überfluss. Er selbst konnte das Leben auskosten und am Ende lebenssatt abtreten. Das heißt, er hatte ein erfülltes Leben und es blieb kein Wunsch mehr offen, nichts was er noch unbedingt hätte erleben müssen.

Hiob aber lebte danach noch 140 Jahre und sah seine Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Geschlecht. Und Hiob starb alt und lebenssatt.

» Hiob 42,16-17

Nach seinem Leiden lebte Hiob noch 140 Jahre, in denen er seinen Nachkommen seine Geschichte bis ins vierte Glied weitergeben konnte. Seinen Kindern vermachte er sein Erbe, sowohl den Söhnen als auch seinen Töchtern. Haus und Hof, Grundstücke und Viehherden. Doch sein geistliches Erbe, das er der Welt hinterließ, lässt sich nicht ermessen. Oft wurde sein Buch als eines der besten Bücher der Weltliteratur ausgezeichnet. Unschätzbar ist der Wert seiner Geschichte für Unzählige geworden, die in ihrem Leid getröstet wurden, als sie sein Buch lasen.
Interessanterweise war auch das einmal Hiobs Wunsch gewesen, als er noch nicht das Ende gesehen hatte und noch selbst mitten im Leid steckte. 

„O, dass doch meine Worte aufgeschrieben, o dass sie doch in ein Buch eingetragen würden, dass sie mit eisernem Griffel und Blei für immer in den Felsen gehauen würden: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und zuletzt wird er sich über den Staub erheben.“ (Hiob 19, 23ff)

Der Glaube an diese Wahrheit trug ihn durch die schwere Zeit. Nicht nur ihn, sondern alle, die seinem Beispiel folgten und folgen.

Was nehmen wir aus seinem Buch für uns mit?

Siehe, wir preisen die glückselig, welche standhaft ausharren! Von Hiobs standhaftem Ausharren habt ihr gehört, und ihr habt das Ende gesehen, das der Herr für ihn bereitet hat, denn der Herr ist voll Mitleid und Erbarmen.

» Jakobus 5,11

Die Früchte des Leidens werden mit vielen Entbehrungen und Schmerzen gesät, aber ihre Ernte ist überwältigend und ewig. Aus Leiden vermag der Herr falsche Theologien zu korrigieren und aus oberflächlichen Freundschaften tiefe Beziehungen zu schaffen. Durch Leiden wird ein ungeprüfter Glaube zu einem kostbarem Gut, wenn aus dem theoretischen Wissen um Gott ein erlebter Glauben im Herzen verankert wird. Durch die Leidensgeschichte eines Menschen zeigt Gott einer ganzen Welt sein Mitleid und Erbarmen.