Wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesus am Leib umher,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar wird.
Denn wir, die wir leben, werden beständig dem Tod preisgegeben um Jesu willen,
damit auch das Leben Jesu offenbar wird an unserem sterblichen Fleisch.
So ist also der Tod wirksam in uns, das Leben aber in euch.
2. Korinther 4,10-12
Aufbauend auf meinem ersten Artikel „Straft mich Gott?“ möchte ich erstmal auf einen der wichtigsten Absichten Gottes mit Leid im Leben eines Christen eingehen.
Gott tut nichts, was nicht seiner eigenen Verherrlichung dient. Seine Vollkommenheit verdient jede Verherrlichung. Durch den Kreuzestod Jesu hat er seine Gerechtigkeit verherrlicht, indem er Sünde richtete; aber ebenso verherrlichte er seine Liebe und Gnade, indem er selbst die Strafe auf sich nahm.(a)
Wenn wir nun Sündenvergebung erfahren haben und ein Kind Gottes geworden sind, sollen wir nicht mehr (für) uns selbst (aus)leben, sondern unser Lebensmittelpunkt bildet Christus (Galater 2,20). Wir sind seine Nachfolger, seine Botschafter geworden (2. Korinther 5,17-20). Christi Leben (und Leiden) sollen an uns sichtbar werden:
„Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.“ Lukas 9,23-24
Das klingt paradox und ganz schön hart. Aber es ist noch härter, als wir es empfinden. Die damaligen Hörer wussten genau, von was er sprach. Die römischen Hinrichtungen und die damit verbundene Schmach und Qual der Hingerichteten hat wahrscheinlich jeder von ihnen schon einmal miterlebt. Wie sollte das jemand freiwillig wollen? Und wie soll man sterben, um zu leben?
Christus, unser Haupt, hat aus Liebe zu uns freiwillig das Kreuz auf sich genommen und hat den Tod besiegt, damit wir leben können. Wir, die Gemeinde, sind sein Leib und sollen in unserem Leben die Liebe zu Christus zum Ausdruck bringen, indem wir unser persönliches Kreuz auf uns nehmen und somit unser persönliches Leben verlieren, aber dafür das ewige Leben erhalten. Und so wird auch für unser Umfeld sichtbar und anschaulich werden,
-
- welchen Charakter Christus hat (da wir ihm dadurch gleichgestaltet werden),
- wie groß seine Liebe zu den Menschen ist
- und welchen Wert Christus hat (da wir lieber für ihn leiden, als ohne ihn unser eigenes Leben zu leben).
Aber in viel größerem Maß werden wir auch Anteil an seiner Herrlichkeit in der Ewigkeit haben. Wir leiden jetzt ein wenig mit Christus, damit wir später mit ihm verherrlicht und ewig leben werden. So verkündigen wir mit unserem Leben, dass der Weg des Leidens für Christus, der Weg des Sieges und des Lebens ist. Wir folgen Christus nach, der durch seine Leiden, den Tod besiegt hat, im Himmel verherrlicht ist und ewig lebt!
John Piper drückt das so aus:
„Das erstaunliche Fazit ist nun: Gott beabsichtigt, die Leiden Christi der Welt durch die Leiden seiner Leute vorzustellen.
Gott hat für den Leib Christi, für die eigene Gemeinde, tatsächlich vorgesehen, dass sie einige der Leiden seines Sohnes erfährt. Bei der Proklamation des Kreuzes als Weg zum Leben sollen Menschen also die Kennzeichen des Kreuzes durch uns wahrnehmen. Unsere Berufung besteht darin, die Drangsale Christi Realität werden zu lassen durch die Bedrängnisse, die wir erfahren, wenn wir ihnen die Botschaft des Heils bringen.“ (John Piper in „Gewürdigt zur Schmach“, S.15)
Wie sieht das nun praktisch aus? Ich wurde einmal folgendes gefragt: „Ich wache morgens sehr oft mit Kopfschmerzen auf, und meine Kinder sind oft genau dann laut und ungehorsam. Wie soll das ein Leiden für Christus sein?“
Du hast also mehrere Fronten, an denen du kämpfen musst. Der Druck ist höher, die Nerven angegriffener, die Selbstbeherrschung ist schwieriger als normalerweise. Jetzt hast du die Möglichkeit Gott zu verherrlichen, dein Kreuz für diesen Tag auf dich zu nehmen und deinen eigenen Wünschen zu sterben. Du proklamierst das Kreuz, indem du es annimmst im Vertrauen auf Gottes Liebe und Weisheit, die in dieser Prüfung enthalten sind. Du proklamierst das Kreuz, wenn du in deiner Not zu Gott gehst und Hilfe und Trost von ihm empfängst. Dadurch resultiert folgendes: Du proklamierst das Kreuz, indem du sanftmütig zu jedermann bist und indem du von dir wegschaust und die Menschen um dich herum segnest, für sie betest und ihnen dienst.
Das ist der Weg der Nachfolge. Deine Kinder und dein Umfeld werden die Kraft und das Wesen Christi in dir erkennen. Sie werden seine Liebe durch dich spüren und werden merken, wie wertvoll Christus und wie erstrebenswert das Leben mit ihm ist!
Hier noch ein Lebenszeugnis von Lalla Hahn (geb. Rosalie Paling, 1850-1904):
„Noch in den Jahren der schweren Krankheit wollte Lalla Hahn immer anderen dienen und für andere sorgen. So hat sie für unzählige Menschen gebetet. Ganz unmittelbar und direkt lebte sie im Glauben an ihren Heiland, dem sie alles sagen konnte, was sie an Freude und Leid bewegte.
Dieser vertrauensvolle Glaube, indem sie andauernd mit Gott sprach, half ihr auch über die schweren Nächte hinweg. Da konnte sie oft keinen Finger bewegen oder den Körper auch nur einen Zentimeter in eine andere Lage bringen. Wie man sie ins Bett legte, so lag sie bis zum Morgen – betend. Das waren die Stunden, in denen sie die Kraft fand und der innere Mensch erneuert wurde in der Lebensgemeinschaft mit Gott. Später sagte ihr Mann Traugott Hahn, er hätte in 33 Jahren von seiner Frau kein Wort der Klage gehört über ihr Leiden, wohl hin und wieder stille Tränen fließen sehen, wenn es sehr schwer war. Sie entdeckte das Leiden als ›die allerhöchste Lebensaufgabe der Kinder Gottes und wurde darin nicht müde. Unverdient wurde sie ihrem leidenden Heiland nachgebildet und in die Ähnlichkeit mit ihm hinein verklärt. (…) Sie hat Geduld gelernt, das Drunterbleiben unter Gottes Hand, Kreuz und Last.‹
Ein befreundeter Gutsbesitzer sagte einmal nach einem halbstündigen Besuch bei der Schwerkranken tief ergriffen: ›Herr Pastor, das ist mehr als hundert Predigten von Ihnen.‹
Dass Leiden eine Predigt sein kann, das wurde bei Lalla Hahn deutlich. Wenn sie Besucher empfing, so suchten sie bei ihr Trost und Hilfe. Deshalb hielt ihr Mann beim Abschied fest: ›Das Leiden kann auf andere ziehend, aufmunternd, aufrichtend und mahnend wirken, sich von der Kraft Christi tragen zu lassen, die in Schwachen so wunderbar mächtig sein kann. Die Kraft von Christus in schwachen irdenen Gefäßen!‹„ (Beate und Winrich Scheffbruch in „Mit Freuden ernten“, S.120-121)
„In dem Maße, wie wir das Kreuz zurückweisen und es nicht tragen wollen,
werden wir unbrauchbar für das Reich Gottes.
Je leichter unser Kreuz, desto schwächer unser Zeugnis.
Wenn wir verstehen, was das Kreuz für unseren Herrn Jesus Christus bedeutete,
werden wir auch begreifen, was es für unser Leben als Christ bedeutet.“
Erwin Lutzer
(a) Gottes Gerechtigkeit verlangt nach der Verdammung jedes Menschen, da jeder Mensch gegen Gott sündigt (Römer 3,18-21). Aber Gott ist genauso Liebe und möchte sich dem Menschen gegenüber gnädig erweisen. Wie kann also ein gerechter Richter (Gott), einen ungerechten Sünder (Mensch) rechtfertigen? Wäre es denn gerecht, wenn z.B. ein Richter einem Serienmörder die Schuld einfach erlassen würde, weil er meint einen Akt der Nächstenliebe zu tun?
Also sandte Gott seinen Sohn Jesus Christus, der hier auf der Erde ein vollkommenes Leben lebte. Gott behandelte ihn am Kreuz so, als hätte er alle Sünde derjenigen getan, die an ihn glauben würden. Gott konzentrierte seinen ganzen Zorn, die ganze Strafe, die diese Sünden verdienen, auf Christus am Kreuz. Und so kann er seine mit Blut erkauften Kinder so behandeln, als hätten sie nie gesündigt. (2 Korintherbrief 5,21)
Und weil nun die Strafe Christus getragen hat, ist der Zorn Gottes von seinen Kindern abgewendet. In Christus sind wir gerechtfertigt worden! Gott sieht uns nun genauso liebevoll an, wie Jesus Christus! Unser Leben ist seit unserer Wiedergeburt in Christus verborgen, wir sind mit Christus gestorben und auferweckt und später werden wir mit Christus in Herrlichkeit offenbar werden (Kolosser 3,1-4).