Ich, ich bin es, der euch tröstet!
Jesaja 51,12
Ich lag im Krankenwagen und wartete auf den Notarzt. Ich krümmte mich wegen der Krämpfe, war schweißgebadet und irgendwie nicht mehr richtig Herr über meine Sinne…
Das Ganze begann eigentlich schon am Vorabend, als es sich bereits ankündigte. Jeder Krampf ein Schweißausbruch. Ich kannte das Prozedere eigentlich ganz gut. Seit 5 Jahren erlebte ich jeden Tag bis zu 8 Mal oder auch mehr anhaltende Krämpfe, die mich bis zur Ohnmacht folterten. Kein Arzt wusste mir zu helfen. Aber dieses Mal war es doch anders. Am nächsten Tag traute ich mich trotz allem auf eine kleine Geburtstagsfeier. Irgendwie hoffte ich, dass die Krämpfe nicht wieder kommen würden oder ich sie wie so oft durch eiserne Selbstbeherrschung ertragen würde, ohne dass es jemand bemerkt.
Und sie kamen wieder, und wurden nach ca. 2 Stunden immer heftiger. Ich spürte, dass es diesmal besonders hart werden würde und wir verabschiedeten uns. Wir hatten knapp eine halbe Stunde Fahrt vor uns, und im Auto fing es erst richtig an. Ich stöhnte, schrie unterdrückt in meinen zusammengeknüllten Ärmel und war pitschnass. Trotz der Heftigkeit der Krämpfe fuhren wir nach Hause anstatt ins Krankenhaus, wo es aber nicht besser wurde. Als ich nur noch apathisch auf dem Boden lag und vor mich hin wimmerte, rief mein Mann den Krankenwagen.
Im Krankenwagen warteten wir dann auf den Notarzt. Ich flehte Gott an mir beizustehen, so wie ich es in meinem trüben Zustand konnte. Und plötzlich war alles anders. Meine körperlicher Zustand war unverändert, aber ich fühlte mich im Innern meines Herzens plötzlich völlig ruhig, geborgen und glücklich. Gott war da. Die ganze Wucht seines Trostes traf mich und mir rollten Tränen des Glücks und der Dankbarkeit über die Wangen. Mein Mann schaute voller Sorge auf meine Tränen und ich lächelte ihn glücklich an und sagte, dass es mir gut geht. Wahrscheinlich glich mein Lächeln eher einer verzogenen Grimasse und meine Worte waren kaum hörbar. Aber Gott war da und das veränderte die Situation grundlegend.
Das war einer meiner intensivsten Erfahrungen von Gottes Trost. Und ja, ich bin Gott von tiefstem Herzen dankbar für diese Erfahrung. Wahrscheinlich wird jeder, der ähnliches erlebt hat, mir zustimmen können.
John Paton, ein Missionar unter Kannibalen, sagte in seiner Biografie:
„Ich erinnere mich noch zwanzig Jahre später gern daran, dass der hochgelobte Herr mir nie so nahe war und mir nie in so kostbarer Weise zur Seite stand wie in jenen schrecklichen Augenblicken, wenn Musketen, Keulen oder Speere auf mich gerichtet waren. Oh welch ein Segen, so zu leben und zu leiden, wenn man ›den Unsichtbaren sieht‹!“ (a)
Die Erfahrung von Gottes Trost ist unermesslich wertvoll für die Nachfolge. Sie vertieft unsere Beziehung und unser Vertrauen in Gott, sie macht uns dankbar und gibt Kraft und Sicherheit für die nächste Prüfung.
Vor zwei Wochen konnte ich wie so oft nicht wegen der Schmerzen einschlafen. Aber ich war auch wegen einer Auseinandersetzung bzgl. Krankheit sehr aufgewühlt. Ich erinnerte mich an Psalm 77, den ich am Vortag studiert hatte. Der Psalmist war verzweifelt und konnte weder schlafen noch beten. Er dachte an die Tage der „Urzeit“, und fragte sich, ob Gott jemals wieder barmherzig sein würde. Und als er so nachdachte, erinnerte er sich an Gottes große Taten mit Israel, als er sie aus der Knechtschaft befreite. Gott ist ein heiliger und mächtiger Gott, vor dem selbst die Elemente erzittern. Sein Gericht war furchtbar über Ägypten, aber über sein Volk hielt er seine Hand und führte sie wie eine Herde aus der Sklaverei heraus. Diese Erkenntnis tröstete den Psalmisten so sehr, dass er wieder in Lobgesang ausbrach!
Das Volk Israel hatte es nicht leicht gehabt. 400 Jahre Sklaverei, darunter die Ermordung einer ganzen männlichen Generation. Aber aus dieser schrecklichen Aktion erweckte Gott Mose. Auf die ersten Versuche Moses 80 Jahre später das Volk freizubekommen, folgten noch mehr Arbeit und Unterdrückung als vorher, der Mut sank und die Verzweiflung stieg. Als das Volk schließlich frei gekommen war, wurde es am Roten Meer von den Ägyptern eingekesselt, und das Volk musste erneut Todesängste durchstehen. Waren denn diese Ängste und Schwierigkeiten nötig? Hätte Gott nicht anders handeln können?
So aber durften sie die große Rettung Gottes sehen, indem er das Rote Meer teilte, sie trockenen Fußes und unbeschadet ans andere Ufer brachte und ihre Bedrohung, die Ägypter in den Wellen ertrinken lies. Gott hat dies alles zugelassen (oder doch eher geplant?), um ihren Glauben zu stärken, sich ihnen in seiner Größe und Liebe zu offenbaren, als der Gott, der mächtig genug ist seine Versprechungen halten zu können und sie auch tatsächlich hält.
Gottes Taten, seine Wege mit Israel damals, wurden zu den Lobgesängen seines Volkes. Wenn sich das Volk rühmen konnte, dann aufgrund dieser Taten Gottes. Welches Volk hatte je solch eine liebevolle und mächtige Behandlung erfahren? Wenn Gott anders gehandelt hätte, wäre sein Lob und der Trost des Volkes wohl erheblich geringer ausgefallen. Aber die Verherrlichung Gottes in diesen seinen Werken hat die Jahrtausende überdauert und viele Generationen haben darin in den schwersten Stunden ihren Trost und ihre Zuversicht erlangt.
C.H. Macktintosh schreibt in seiner Auslegung „Die 5 Bücher Mose“ dazu:
„Gerade in den größten Schwierigkeiten können wir die Herrlichkeit Gottes und die Herrlichkeit seiner Wege mit uns erkennen; und Gott führt uns deshalb oft in schwere Prüfungen, damit er sich umso herrlicher offenbaren kann. Er hätte Israel durch das Rote Meer führen und vor den Kriegsheeren des Pharaos in Sicherheit bringen können, noch bevor diese von Ägypten aufbrachen. Aber dann wäre sein Name nicht so wunderbar verherrlicht und der Feind nicht so vollständig vernichtet worden. Nur zu oft verlieren wir diese große Wahrheit aus dem Auge; und die Folge davon ist, dass wir in Zeiten der Trübsal leicht ermatten. Wenn wir eine schwere Krise nur als Gelegenheit zur Entfaltung der Gnade Gottes betrachteten, so würden unsere Seelen im Gleichgewicht bleiben und selbst in den schwierigsten Prüfungen würden wir Gott verherrlichen. (…)
Der Herr hat uns nicht verheißen, dass wir von Prüfungen und Leiden verschont bleiben sollen. Er sagt uns im Gegenteil, dass wir Trübsalen und Schwierigkeiten begegnen werden. Aber zugleich verheißt Er uns, in den Schwierigkeiten bei uns zu sein, und das ist unendlich viel besser als eine Verschonung von Trübsal. Es ist viel tröstlicher, sein Mitgefühl zu erfahren als seine Macht und Hilfe. Die Gegenwart des Herrn bei seinen treuen Dienern, als sie durch den Feuerofen gingen, war weit besser als die Entfaltung seiner Macht, um sie vor ihm zu bewahren (Daniel 3). Wir wünschen uns oft einen Weg ohne Trübsal, aber die Erfüllung dieses Wunsches wird ein großer Verlust für uns sein. Die Gegenwart des Herrn ist nie wohltuender als in Augenblicken großer Schwierigkeiten. Das erfuhren auch die Israeliten, als es Gott gefiel sie in eine scheinbar unüberwindliche Schwierigkeit zu bringen.“ (b)
(a) John G. Paton, Missionary to the New Hebrides: An Autobiographie by His Brother, S. 117
(b) C.H. Macktintosh, Die 5 Bücher Mose, S. 327 und 328