Wie geht es dir?
Hast du schon einmal mit der Antwort auf diese Frage gezögert oder hast schnell das Thema gewechselt?
Was antwortest du darauf?
Vor ein paar Tagen ging es mir nach längerer Zeit wieder so weit gut, dass ich wieder zum Gottesdienst fahren konnte. Natürlich war ich nicht schmerz- oder beschwerdefrei, und zugegebenermaßen kostete es mich sehr viel Kraft. Das ist ja schon seit Jahren so. Dann komme ich mit anderen Personen ins Gespräch, die mich fragen, wie es mir geht. Und plötzlich steckt ein Kloß in meinem Hals. Was soll ich darauf antworten?
Alle Tage des Elenden sind schlecht, aber ein fröhliches Herz ⟨hat⟩ ein ständiges Festmahl.
» Sprüche 15,15
John Piper hat die folgende Erfahrung gemacht:
„Die Sache ist die: Wenn mich Leute vor meiner Krebsdiagnose gefragt haben: „Wie geht es dir gesundheitlich?“, dann habe ich meist geantwortet: „Gut.“ Das mache ich jetzt nicht mehr. Ich antworte: „Ich fühle mich fit.“ Denn es gibt da einen Unterschied. Am Tag vor meinem jährlichen Prostata-Check-up habe ich mich gut gefühlt. Am folgenden Tag bekam ich die Diagnose Krebs. Mit anderen Worten: Es ging mir nicht gut. Jetzt, während ich diese Worte schreibe, weiß ich nicht, ob ich gesund bin. Ich fühle mich gesund. Ich fühle mich viel besser als ich es verdient habe. Doch soweit ich weiß, könnte ich genau jetzt Krebs haben. Oder vielleicht ein Blutgerinnsel. Oder Corona.“ (a)
In unserer Gesellschaft ist die Frage „Wie geht’s?“ oder „Wie geht es dir?“ eher eine Einstiegsfrage für einen kurzen Plausch oder eine kleine Höflichkeit und ist auch eher allgemein gemeint, nicht nur auf die Gesundheit beschränkt. Normalerweise will da keiner die Wahrheit hören. Das habe ich selbst herausgefunden, nachdem ich probehalber zwei-drei Mal auf diese Frage mit der Wahrheit rausgerückt bin und mein Gegenüber mir mit irritiertem Gesichtsausdruck nicht recht zu antworten wusste und sich schnell verabschiedet hatte.
Wenn jemand wirklich wissen will, wie es einem geht, dann fragt dieser höchstwahrscheinlich nicht im Vorbeigehen danach, sondern erst, wenn sich das Gespräch entwickelt und sich etwas Vertrauen aufgebaut hat.
Trotzdem hatte ich in mir lange Zeit einen Zwiespalt deswegen. Sollte ich nicht immer die Wahrheit sagen? Und wollte ich nicht auch ernst genommen werden? Man sieht mir meine Krankheit oberflächlich nicht an, und wenn ich immer sage, dass es mir gut gehe, dann glaubt mir doch keiner, wenn ich zum Beispiel nicht zum nächsten Gottesdienst oder zur nächsten Feier kommen kann, oder auch keine Kraft habe mitzuhelfen.
Auf der anderen Seite habe ich auch die Erfahrung gemacht, das es Menschen gibt, die es wirklich interessiert aber unheimlich belastet, wenn ich ihnen erzähle, wie es mir wirklich geht. Es sind sehr mitfühlende Menschen und da bereue ich es im Nachhinein sie belastet zu haben. Ja genau, ich will keine Last sein oder jemandem zur Last fallen.
Und schließlich geht es mir zwar körperlich nicht gut, aber in diesem Moment wahrscheinlich besser als die meiste Zeit sonst, da ich es ja raus aus der Wohnung geschafft habe. Deswegen habe ich angefangen auf die Frage „Wie geht es dir?“ mit „Ich bin dankbar, dass ich hier sein kann“ oder etwas in der Art zu antworten. Das ist für mich ehrlich, und gleichzeitig eine positive Antwort, die mein Gegenüber nicht belastet und zu keiner Nachfrage drängt, wenn er es nicht möchte.
Was antwortest du darauf?
Weiter hatte ich noch folgende Überlegung:
Wenn wir ganz ehrlich sind, dann ist unsere Antwort auf die „Wie-geht’s“-Frage ganz subjektiv. Es ist für uns entweder eine belanglose dahingesagte Antwort auf eine Floskel – oder aber es ist für uns in diesem Moment die Wahrheit. Und zwar die gefühlte Wahrheit, denn eigentlich erklären wir damit, wie wir uns gerade zu diesem Zeitpunkt fühlen.
Wir haben vorher darüber keine ausgewogenen Überlegungen angestellt, ob es uns tatsächlich gut geht oder nicht, – wenn wir unsere Gefühle mal außen vor lassen. Wir haben in unsere Antwort nicht unsere Gesamtsituation und diese im Verhältnis zu anderen berücksichtigt. Und wenn wir in unsere Antwort die alles überragende Wahrheit mit einbeziehen würden, dass wir erlöste Kinder Gottes sind, würde sie höchstwahrscheinlich ganz anders ausfallen.
C.J. Mahaney hat genau dies getan und erzählt folgende Begebenheit:
An diesem Morgen war es bei Starbucks ziemlich voll. Ich wartete zusammen mit mehreren anderen Kunden, die in zwei parallelen Schlangen vor der Theke anstanden. Als ich an der Reihe war und meinen Kaffee bestellen wollte, lächelte mich der junge Mann, der mich bediente, freundlich an und fragte: „Hallo, wie geht es Ihnen?“
Schon seit Jahren gebe ich auf diese häufig gestellte Frage eine bestimmte Antwort, mit der ich mir jeden Tag selbst das Evangelium predige. Manchmal war es auch schon eine gute Möglichkeit, anderen das Evangelium weiterzusagen. ich gebrauchte dieselben Worte auch an diesem Morgen bei Starbucks.
„Besser, als ich es verdient habe“, antwortete ich.
Sofort begann der junge Mann hinter der Theke, meine Selbsteinschätzung infrage zu stellen. Sicher bewegte ihn Mitgefühl und die echte Sorge, ich hätte einen unangemessenen Mangel an Selbstwertgefühl. Als ich seinen Beteuerungen widersprach, wirkte er irritiert. Schließlich fragte er: „Haben Sie jemanden umgebracht?“
„Nein“, antwortete ich ihm, „nein, ich habe niemanden umgebracht.“ Doch dann erklärte ich ihm, wie schwerwiegend meine Sünde ist. In jenem kurzen Gespräch konnte ich ihm etwas über die sündige menschliche Natur erklären.
Irgendwann während jenes Gesprächs drehte ich mich nach rechts um. Die Dame in der anderen Schlange starrte mich an, als wollte sie sagen: „Ich würde Ihnen einen koffeinfreien Kaffee empfehlen…“ Genau genommen schien das ganze Restaurant meiner Erklärung zuzuhören.
Ich schloss, indem ich dem jungen Mann einfach sagte (und ich spürte, wie mir die Tränen kamen): „Ich bin ein Sünder. Und ich brauche einen Retter.“ Und ich meinte es genauso. (b)
Betrübt, aber immer fröhlich
Wie man Herrn Mahaney sicherlich sein ganze Überzeugung an seiner Antwort abgespürt haben muss, so sehr hat er sie bestimmt auch ausgestrahlt. Aber wie sieht es mit uns aus? Was strahle ich aus, wenn ich auf die „Wie-geht’s“-Frage antworte?
Geht es dir ähnlich wie Hiob, als er sagte: „Wenn ich denke, ich will meine Klage vergessen, meine Miene ändern und heiter dreinschauen!, so muss ich meine vielen Schmerzen fürchten…“ (Hiob 9,27-28)
Auch hier war ich im Zweispalt, schließlich kommunizieren wir viel auch durch Mimik und Körpersprache miteinander, wenn auch unbewusst. Oft habe ich zum Beispiel einfach nur auf den Boden geschaut, um die Wahrheit zu verbergen oder Fragen zu vermeiden.
Aber letzten Sonntag hat mir der Herr die Augen darüber geöffnet. Der Prediger las unter anderem einen Text aus 2. Korinther 6 vor. Ich schlug meine Bibel auf und folgende Worte haben sofort meine Aufmerksamkeit gefesselt:
„…als Betrübte, aber immer fröhlich…“ (Vers 10)
Ganz unabhängig von der Predigt wusste ich sofort, dass es ein Wort Gottes an mich war. Gott wollte mir durch seinen Geist den Weg weisen, zeigen, dass es eine richtige Weise gibt, wie wir uns geben sollen. Es ist nicht nur äußerlich, keine aufgesetzte Maske, die wir aufziehen sollen, sondern es ist eine von innen kommende Freude, unabhängig von unserem gesundheitlichen Zustand, eine Freude, die Gott uns bereitet hat, und die wir empfangen und ausstrahlen dürfen.
In anderen Übersetzungen heißt es so:
„Unser Herz ist voll Leid, und doch erleben wir ständig neue Freude.“ (Neues Leben)
„Ich erlebe Kummer und bin doch immer fröhlich.“ (Gute Nachricht)
Es ist nicht neu, und eigentlich ganz klar. Aber manchmal muss man Wahrheiten neu entdecken und seine Denkweisen ausrichten am Wort Gottes. Wie wunderbar war doch dieser kleine Lichtstrahl, der mein Herz mit Freude flutete und mir neue Gewissheit schenkte!
C.J. Mahaney fasst es wunderbar zusammen:
Ich habe bereits erzählt, dass ich auf die Frage, „Wie geht es Ihnen?“, gewöhnlich antworte: „Besser, als ich es verdiene.“ Dadurch meinen andere oft, ich würde unter einem unterentwickelten Selbstwertgefühlt leiden. Dabei ist die einfache Wahrheit, dass ich verstehe, wer ich bin und wo ich es verdiene zu sein. Ich verdiene Gottes Zorn. Ehrlich gesagt verdiene ich es, in die Hölle zu kommen.
Doch stattdessen bin ich Gottes adoptiertes Kind. Meine vielen Sünden sind mir vergeben und ich werde von Ihm geliebt!
Ich komme in den Himmel! Es geht mir viel besser, als ich es verdiene.
Diese Perspektive erfüllt mich an Tagen, an denen es nicht so läuft, wie ich es geplant hatte, mit Freude. Wir alle erleben Enttäuschungen und schwierige Umstände. Wir alle erleben Anfechtungen und Leid. Doch wenn wir das Evangelium verstehen, können wir über Gottes Liebe staunen – unabhängig von unseren Umständen.
Ich weiß nicht, was morgen kommt. Aber ich weiß: Durch das Kreuz wird es mir viel besser gehen, als ich es verdiene. Darum möchte ich, so lange ich lebe, nur noch tiefer in das wunderbare Geheimnis von Gottes Liebe zur mir eintauchen. (c)
1) Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt,
ob Stürme auch drohen von fern,
mein Herze im Glauben doch allezeit singt:
„Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn“.
Ref.: Mir ist wohl (mir ist wohl) in dem Herrn (in dem Herrn)!
Mir ist wohl, mir ist wohl in dem Herrn!
2) Wenn Satan mir nachstellt und bange mir macht,
so leuchtet dies Wort mir als Stern:
Mein Jesus hat alles für mich schon vollbracht;
ich bin rein durch das Blut meines Herrn.
3) Die Last meiner Sünde trug Jesus, das Lamm,
und warf sie weit weg in die Fern;
er starb ja für mich auch am blutigen Stamm:
Meine Seele lobpreise den Herrn.
4) Nun leb ich in Christo für Christum allein,
sein Wort ist mein leitender Stern.
In ihm hab ich Fried und Erlösung von Pein,
meine Seele ist selig im Herrn.
» Horatio Spafford
(a) John Piper, „Corona und Christus“, S. 17, Evangelium21
(b) C. J. Mahaney, „Leben mit dem Kreuz im Zentrum“, S. 57, arche-medien Hamburg
(c) C. J. Mahaney, „Leben mit dem Kreuz im Zentrum“, S. 146, arche-medien Hamburg